Man reist ja nicht um anzukommen, sondern um zu reisen.
Johann Wolfgang von Goethe
Johann Wolfgang von Goethe
Wieder auf dem Parkplatz klemmte eine wunderschöne, gelbe Herbstblume unter unserem Scheibenwischer – wir fühlten uns willkommen und fuhren zum Airbnb, um uns für die nächsten fünf Tage einzurichten. Das Haus befand sich direkt am Saguenay River. Als das Wetter wieder sonniger wurde, wanderten wir durch einen Teil des Monts-Valin-Nationalpark. Die Herbstfarben wurden von Tag zu Tag intensiver und auch die Sonne liess sich hin und wieder blicken aber den kühlen Wind hatte ich wohl etwas unterschätzt. Ich erkältete mich ziemlich heftig und brauchte Ruhe, Wärme und Medikamente, um weiterreisen zu können. Die Fahrt nach Québec dauerte über den Highway 175 circa drei Stunden mit Pausen. Wir fanden erneut einen guten Campingplatz am Stadtrand. Von hier aus fuhren wir in etwa 20 Minuten ins Zentrum, um uns auch die Stadt etwas anzusehen. Es wird uns immer wieder bewusst, wieviel schöne Dinge wir doch auf unserer langen Reise sehen durften. So mussten wir nicht jeden Wasserfall, jede Sehenswürdigkeit gesehen haben. Es reichte für uns einfach hier zu sein und dem Treiben in den «Chemin’s» und «Rue’s» zu beobachten. Erneut wurde das Wetter schlechter und wir blieben drei Nächte am selben Ort bevor wir uns auf nach Halifax machten. Wir fuhren von Québec bis nach Edmundston und am nächsten Tag bis kurz nach Truro in Nova Scotia, wo wir erneut auf einem Campingplatz übernachteten. Zugegeben fanden wir nicht mehr viele Plätze, die noch geöffnet waren. Viele waren «closed for the season».
Die letzten Tage unseres «big roadtrip durch Amerika und Kanada» sind nun angebrochen und der Indiansummer strahlt in den schönsten Rot-Gelb-Braun-Farben – wir sind im Herbst angekommen. Nach fast neun Monaten Leben auf zweieinhalb Quadratmetern, sehnen wir uns langsam nach mehr Platz, weniger Feuchtigkeit, wieder etwas wärmeren Temperaturen und vor allem aber nach unseren Familien und Freunden. Wir erinnern uns, dass wir uns vor ein paar Wochen noch Kälte gewünscht hatten, als wir in Boston abends auf dem Parkplatz bei 36 Grad im Schatten schwitzten und ein Reiseende noch lange nicht in Sichtweite schien. Wir wussten auch nicht, dass wir noch einen Abstecher nach Neufundland machen werden oder uns während des schlechten Wetters in ein Airbnb zurückziehen würden, um uns wieder etwas an das Leben in vier Wänden zu gewöhnen. Diese Reise geht nun nach über 45’000 Kilometern langsam zu Ende, doch wissen wir, dass unsere Lebensreise weitergeht. Wir hatten das Glück und die Chance, vieles kennen zu lernen; andere Kulturen, die Natur und natürlich auch uns selbst und die Einstellung zu manchen Dingen. Wir haben die richtige Entscheidung getroffen, und uns auf den Weg zu Neuem gemacht und dadurch die Erkenntnis gewonnen, dass wir auch in neun Monaten nur ein Bruchteil dessen zu sehen bekommen, was die beiden riesigen Länder zu bieten haben. Es ist vor allem meiner Frau Monika zu verdanken, dass wir die «Rosinen» unserer Reise überhaupt und zur richtigen Zeit finden und besuchen durften. So war Sie es, die die Recherche und Vorbereitungen in abendfüllender Kleinarbeit immer wieder mit vollem Einsatz vollbrachte. Neben den «must do’s» fanden wir Orte und Regionen, die vom grossen Touristenstrom umgangen oder dem Mangel an Zeit oft nicht besucht werden. Viele davon fanden wir nach Gesprächen mit «Parkrangern» oder «Locals». Wir trafen Menschen, welche wie Nomaden in ihren riesigen Campern leben und abhängig vom Klima von Nord nach Süd und umgekehrt Reisen, Menschen, die ihre Jobs an den Nagel gehängt haben, einen Schulbus kauften und damit quer durch die USA reisten. Menschen die uns an ihrer Kultur oder ihrem Leben und ihren Erfahrungen teilhaben lassen und uns so eine unvergessliche Vielfalt ihres Landes zeigten. Amerika hat sich uns facettenreich präsentiert und wir haben Freunde gefunden. Amerika ist soviel mehr als nur ein grosses Land mit vielen Gegensätzen. Es ist zurecht das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Vieles scheint auf den ersten Blick einfacher oder teilweise auch etwas «veraltet». Das Telefon und nicht das Internet scheint hier immer noch wichtiger zu sein, zumindest wenn man die Werbetafeln betrachtet oder Radiowerbung hört. Während bei uns in Europa das Radio bald nur noch Digital gesendet wird, gibt es hier immer noch Mittelwelle. Es gibt in der Wartschlange vor der Kasse kein Gemurre, wenn eine ältere Dame vielleicht ein paar Worte mit der Kassiererin redet. Wenn’s an der Ampel grün wird und man nicht gleich losfährt, wird kaum gehupt – ausser in grösseren Städten. Man wird auf mehrspurigen Autobahnen rechts und links überholt und darf überholen, ohne ein komisches Gefühl haben zu müssen. Alles in allem scheint in Amerika jeder etwas toleranter zu sein – es ist genug Platz für jeden da. Für den Schnellen wie für den Langsamen, für den Jungen wie für den Alten. Zu Beginn der Reise waren Moni und ich eher zurückhaltend, uns über Politik zu unterhalten, trotzdem waren sehr viele Amerikaner an unserer Meinung interessiert. Neben vielen Trump-Gegnern trafen wir auch auf absolute Trump-Befürworter. Die Gespräche mit beiden waren interessant und wir mussten erkennen – irgendwie haben beide auf ihre Weise ihre Berechtigung und wir müssen eingestehen, dass auch bei uns längst nicht alles gut läuft. Aber wir waren ja nicht da, um zu politisieren, sondern um zu reisen und zu lernen. Auch Kanada zeigte sich uns von verschiedenen Seiten, aber etwas weniger Abwechslungsreich. Die Kanadier empfanden wir insgesamt als zurückhaltender. Es war für uns schwerer, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen. Während wir in Amerika auf vielen Campingplätzen angesprochen wurden oder spontan Einladungen bekommen haben. Im Osten Kanadas wurde es dann wieder etwas einfacher und die Menschen offener. Die Natur ist zweifelsohne atemberaubend und gab uns Einblicke in die Tier- und Pflanzenwelt, wie wir sie bisher nicht kannten. Zum Schluss bleibt uns nur zu sagen: «geht raus und seht Euch die wunderbare Vielfalt dieser Welt mit Euren eigenen Sinnen an». Es ist nicht alles nur Schlecht oder alles nur Gut. Die gesunde Mischung macht den Unterschied und macht in uns Erinnerungen, die uns unser Leben lang begleiten werden.
4 Comments
Ninie
14/10/2018 11:17:46
Ich wünsche euch eine gute Heimreise und hoffe, dass ihr euch wieder im Alltag zurecht findet.
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M+P aus Bern
14/10/2018 20:16:56
Halb lachend halb wehmütig haben wir euren letzten Blog gelesen und die herrlichen Fotos bewundert.Durch eure super abgefassten Berichte durften wir mitreisen, euch begleiten und viel lernen. Zudem pflegten wir einen engen Kontakt, was hier in unserem Arbeitsalltag manchmal schwieriger ist. Danke für diese schöne Zeit!!! Wir wünschen euch, dass eure letzten Reise und Vorbereitungstage ohne Schwierigkeiten vorübergehen und freuen uns riesig auf das Wiedersehen.Reiset guet, wir umarmen euch, M+P
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Andrea Brawand
22/10/2018 13:09:04
Ihr Lieben
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Heather White
25/10/2018 09:25:02
Hi Monika and Pascal you finally made it - congrats!!! I recently saw you crossing the bridge in Halifax. Hope you had a great time in Canada. Good job.
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October 2018
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